Fotografierende sind Produzierende.
Vita activa?
Suchen mit den Suchmaschinen
Obwohl ich nur sehr begrenzt etwas davon halte, über eine Suchmaschine zu gehen, habe ich dieses Mal das Wort reiseberichte eingegeben im Suchfeld. Je nach Suchmaschine variierten die Ergebnisse doch sehr. So finde ich Yahoo und bing besser als google, weil die Auswahl auch Domainnamen und thematische Tiefe einbezieht, was mir bei google mittlerweile oft fehlt. Ganz extrem habe ich dies einmal bei der Eingabe des Wortes dokumentarfotografie gemerkt. Echtes zum Thema kam bei google aus meiner Sicht erst ab Seite drei.
Und nun Reiseberichte. Ich hatte ab Seite 15 der Suchergebnisse das Gefühl, jeder, der eine Kamera hat oder tippen kann, schreibt auch einen Reisebericht. Gut daß ich nur die deutschen Seiten rausgefiltert habe.
Ermüdend war dann diese deutsch-pedantische Aufzählung mit beschränkter Sicht. Sie haben gut gefrühstückt am 1. Tag, dann haben sie dort schlecht gegessen, aber woanders war der Kuchen lecker, es hat beim Wandern geregnet, am 3. Tag waren sie überrascht, daß der Bus später kam und das Reisebüro hatte auch noch eine Überraschung. Da quält man sich nur einmal durch.
Sind das Reiseberichte für alle oder eher private Aufzeichnungen, die alle lesen sollen.
Aber warum? Welchen Mehrwert haben solche Reiseberichte?
Es sind nämlich keine Reiseberichte, auch wenn sie so genannt werden.
Reiseberichte – ein Rückblick
Betrachten wir das Ganze mal im Rückblick.
Wir nutzen die Welt von gestern, also die Geschichte, und vergleichen mit heute.
Gerhard Huck und Jürgen Reulecke haben 1978 ein Buch mit dem Titel „… und reges Leben ist überall sichtbar!“ herausgegeben. Da sind Reiseberichte über Reisen im Bergischen Land um 1800 drin. Diese Reiseberichte erzählen vom Reisen als es noch keine Fotoapparate gab.
Damals galt die Reise als Bildung. Erfahren im Wortsinn!
Also las man vor der Reise über die Erfahrungen, die andere dort gemacht haben und ordnete dies auch in das Wissen über Geografie, Menschenschlag, Vegetation, Sitten und Gebräuche und vieles mehr ein.
So lernte man die Welt kennen, auch wenn sie nur 200 Kilometer entfernt war.
Wissen Sie eigentlich, was eine Kunststraße ist im Gegensatz zu einer Naturstraße?
Damals galt eine asphaltierte Straße als Kunststraße.
So ändern sich die Zeiten.
Und heute?
Standardisierte Ignoranz
Ich brauche heute keinen Wegezoll mehr und keine Pferdekutsche. Dafür zahle ich Steuern und Sprit und kann mal eben 50, 100 oder 200 Kilometer weiter weg fahren ohne was zu erfahren(!)
Was woanders ist und was dort anders ist, weiß in der Regel kaum jemand mehr, weil es überall standardisierte Elemente im öffentlichen Leben gibt.
Die Infrastruktur ist überall gleich. Das ist eigentlich gut, um das Individuelle danach zu entdecken. Aber wo geschieht dies?
Der Reisebericht als verbale Selfiestange
Ja und dann sind da die „Reiseberichte“ von heute, die genau erzählen, was für Kuchen, wo gesessen, wie der Kaffee war und die Kellnerin. Und wenn sie unfreundlich war, dann wird dies lang und breit erwähnt und empfohlen, nicht mehr dort einzukehren bei der Wanderung. So als ob die Kellnerin schuld war und man selbst der große Zampano ist. Bääh!
Das sind keine Reiseberichte, das sind besserwisserische Ich-Aufzeichnungen ohne den weiteren Horizont einer Landschaft und eines sozialen Gefüges zu erkunden.
Digital ist geduldig – alles ist Reisebericht?
Vielleicht hält das Wort Reisebericht jede Art von Text aus, egal welchen Inhalts.
Aber ich unterscheide schon weil ich vergleichen kann zwischen dem, was schon war und dem, was jetzt ist.
Im digitalen Alltag erträglich wird diese Form dann eher, wenn diese Reisetexte durch Fotos abgelöst werden, die in einem Netzwerk zu sehen sind.
Da kann man schnell drüberhuschen, weil die schönsten nichtssagenden Sonnenuntergänge und Knödelteller nur die Normierung auch der letzten Flecken zeigen.
Über ein Gespräch mit Menschen zu berichten fällt schwer, zu kontrollieren ob auch alles so ist wie es überall ist, fällt leicht und nur Fotos fällt noch leichter.
Digital ist eben geduldig.
So findet man überall alles und ich frage mich, wer liest das überhaupt? Es besteht bei mir der Verdacht, es sind überwiegend tote Texte, weil sie von Lebenden kaum gelesen werden außer den Verfassern.
Zurück zum Ursprung
Nun möchte ich umgekehrt fragen, gibt es einen „Markt“ von Menschen, die einen richtigen Reisebericht lesen würden – so wie früher mit Fotos von heute?
Was meine ich mit einem richtigen Reisebericht?
Es ist ein Bericht, in dem die Texte nicht durch Fotos ersetzbar wären, sondern genau das erzählen oder zeigen, was Fotos nicht können: Zusammenhänge, Verortungen, Einordnungen, Persönliches hinter dem Porträt usw.
Ein Beispiel ist „Ein bisschen Mallorca …“
So stelle ich mir die Verknüpfung eigener Lebenszeit mit Entdeckung, Erholung und Umfeld vor. Das ist ein Reisebericht, der nicht kontrolliert sondern wirkt mit Menschen, Orten und Gedanken im sozialen Umfeld.
Die gibt es auch von anderen Frauen und Männern bei travigal.de.
Aber im Angesicht der Unmengen an Texten ist das Herausragen aus der Masse eigentlich nur noch die Position in Auflistungen, also quantitativ.
Qualitativ wird es erst, wenn man nach dem Lesen das Gefühl hat, die Lesezeit war nicht umsonst.
So ist dieser Artikel der Versuch, dieser absoluten Beliebigkeit eigene Kriterien entgegenzusetzen, die man aber echt erst suchen muß, bevor man sie vielleicht finden kann.
Das Geheimnis liegt im Lesetest, der mir sagt ob ich das finde, was meinen Qualitätsansprüchen als Text und Foto genügt.
Schlüsselworte und Rankings helfen nur sehr bedingt, weil jedes quantitative Ranking nichts über qualitative Maßstäbe aussagt.
Selektieren als Zeitfresser
Also alles selbst austesten und die Guten sammeln und ab ins Album.
Selektieren als Zeitfresser und weil eine Suchmaschine nicht reicht, dies alles in mehreren Suchmaschinen und von Link zu Link, wenn Menschen so freundlich sind, noch zu verlinken.
Dies geht so lange gut bis wieder so ein Tag kommt an dem ich mich frage wieso?
Und wenn es gut läuft, schreibe ich dann einen Artikel wie diesen hier, der mir helfen soll, den Weg zum Ziel zu machen.
Aber das fällt doch schwer.
Text 1.1