Die neuen Kompetenzen in der Fotografie
Was bin ich, wenn ich mit meinem Smartphone oder meiner Kamera Fotos mache, diese hochlade und veröffentliche, in ein Buchlayout packe und ausdrucke?
Ich bin Fotograf, ich bin Webspezialist und ich bin Drucker.
Würde mir jemand diese Kompetenzen absprechen wollen?
Ich kann fotografieren, ich kann im Web arbeiten und ich kann Bücher layouten und ausdrucken.
Das ist heute die Wirklichkeit.
Fakt ist doch, daß jeder die Kompetenz in sich spürt, weil er sie in der Praxis hat.
Maschinenkompetenzen
Heute sind es Maschinenkompetenzen, die Teil des Ichs werden und nur solange existieren wie es die Maschinen gibt.
Die Maschine als Kompetenzträger ist Teil unserer Zivilisation und verändert soziale Zustände.
„Ich habe ein Iphone“ ist daher nicht nur eine Statusbeschreibung sondern auch ein Zugriff auf Kompetenzen durch Teilhabe, Verteilungsmöglichkeiten etc.
„Ich bin drin“ war mal eine Werbung in den Anfangsjahren des Internets.
Ich bin was meine Maschine kann und definiere dadurch meine soziale Rolle?
Insofern sind Image und PR wichtig.
Berufe im Wandel
Vielleicht ist dies sogar der Grund dafür, daß immer mehr sich als Fotografen oder sogar Fotokünstler fühlen und daher die Angebote im Internet wie Pilze aus der digitalen Erde schiessen.
Er oder sie muß zwar nicht mehr diese Dinge lernen, weil dies automatisierte und digitalisierte Vorgänge sind.
Aber Mann Frau Kind kann es.
Neue Berufe und neue Tätigkeiten beziehen sich auf Maschinenbedienung (bei Smartphones, Druckern) und der Maschinenwartung und Pflege.
Die Mönche, die Bücher abgeschrieben haben – die Kopisten – sind mit diesen Tätigkeiten verschwunden nach der Erfindung des Buchdrucks.
Und heute druckt eben jeder bzw. läßt drucken.
Das ist übrigens nicht das einzige Beispiel.
Es gibt noch Länder, da geht man zum Schreiber, wenn man etwas aufschreiben lassen will. Heute kann bei uns fast jeder schreiben bzw. smilen. Also brauchen wir auch keine Schreiber mehr. So ist es auch mit den Telefonfräuleins und vielen anderen untergegangenen Berufen.
Es geht also immer weiter.
Marketing im Wandel
Ein interessanter Vortrag zur Situation in der Kameraindustrie und irgendwie auch indirekt zu den sozialen Gebrauchsweisen und Denkweisen ist auf der PMA gehalten worden und später veröffentlicht worden.
Er ist von Mayflower Concepts von einem Deutschen auf Englisch.
Mayflower Concepts plädiert als Marketingspezialist für mehr Fun. Irgendwie erinnert mich das an das Kodakmotto „You press the button, we do the rest“.
Dann zeigt der Autor auf, daß die Menschen Fun wollen, also unbeschwert damit umgehen.
Das Monster der Kameraindustrie sei auch nicht das Smartphone.
Der Vortrag ist sehr interessant und die Folien erlauben auch ohne Englischkenntnisse viel zu verstehen.
Nun gut.
Im Smartphone sind ja Digitalkameras. Es ist eben ein Multimediagerät für Kommunikation mit Text, Foto und Video.
Insofern kann es gar nicht das Monster sein.
Umgekehrt habe ich sehr viele Apps ausprobiert, die Kameras nachmachen, die es vorher gab. Das war – gelinde gesagt – sehr ermüdend und ernüchternd.
Es ging eher darum, sozial im Kopf zu sagen, ich habe jetzt alle diese Kameras als Apps – was psychisch schon grenzwertig ist aber den Aspekt des Habens betont.
Halbautomatische Kommunikation
Wir leben in einer Zeit, in der die Fotografie teilweise automatisiert wird.
Die Anlässe der Produktion von Fotos führen mich dann zu der Frage, wie die Gebrauchsweisen von Fotografie sind: aus welchem Grund, mit welchem Zweck.
Vor allem Kommunikation ist das Ziel. Die dokumentarische Funktion ist dabei so viel wert wie das Thema, um das es geht.
Es hängt also vom Thema ab, welche sozialen Gebrauchsweisen Fotos haben.
Daher ist Foto nicht gleich Foto, wenn man die physikalische Ebene verläßt.
Und deshalb glaube ich nach meinen Beobachtungen, daß der Mayflower Vortrag, der hier verlinkt ist, das Thema eben nur als PR-Frage erfasst. Denn so einfach wie es dort gezeigt wurde, ist es in meinen Augen nicht:
- Es stimmt, daß das Iphone der Bedienung einen neuen Rahmen gab. Aber die Apps haben genau so viele komplizierte Bedienungen in sich wie die im Vortrag gezeigten Menüs der neuen Digitalkameras
- Es stimmt nicht, daß nur einfach und nur Fun gefragt sind. Wenn es so wäre, würden sich die ganzen Kameras mit Drehknöpfen nicht mehr verkaufen. Viele wollen die Herausforderung und nicht nur einen Knopf. Ich erinnere mich mit Schrecken an die Zeit als schon einmal fast nur noch Kameras mit einem Knopf auf dem Markt waren. Wo war das PASM fragte ich?
- Es stimmt nicht, daß IOS und Android alles vereinfachen und mehr Fun verursachen. In meinen Augen ist die Frage der Usability, also der Benutzerfreundlichkeit, überhaupt nicht beantwortet. Zwar ist alles auf dem Smartphone als Symbol direkt anwählbar, aber dann kommt oft das Grausen bei der Bedienung der Apps. Da sind umgekehrt eher einige Menüs von Kameraherstellern besser. Und ich finde, nicht alle Menüs müssen gleich sein und nicht alle Menüs müssen nur einfach sein. Sie müssen den sachlichen Zusammenhängen angemessen sein, weil auch nicht jede Kamera von jedem einfach so bedient werden soll. Wenn eine Kamera viel kann muß es auch viele Menüpunkte geben für die vielen Einstellungen. Nur noch eine Lösung ist keine Lösung – in meinen Augen.
So gibt es noch viel zu sagen und zu schreiben zu dem Vortrag von Mayflower Concepts.
Aber ich bin nur ein Beobachter der sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie und nutze die Fotografie.
Da ich ohne diesen Vortrag aber meine Gedanken hier so nicht entwickelt hätte, ist der Vortrag in diesem Sinne ausgesprochen gut.
Denn auch Energie funktioniert nur mit plus und minus und bringt uns so die Erleuchtung!
So gefallen mir meine Worte als Beitrag zur textlichen Erfassung des Zeitgeistes in der Kameraindustrie.
Möge er gute Gedanken hervorbringen …
Nachtrag:
In der SZ ist dazu auch ein Artikel erschienen, der den Vortrag wiedergibt, aber nicht meine Argumente.